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Hilft CBD bei Fibromyalgie?

Erstellt am: 04.06.2022                     Aktualisiert am: 04.03.2023                    Autor: Alexandra Latour

Die Fibromyalgie („Faser-Muskel-Schmerzen“) ist eine chronische Schmerzerkrankung. Neben den tiefen Muskelschmerzen leiden Patienten unter weiteren Symptomen, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Müdigkeit und Schlafstörungen. Auch die Psyche leidet, sodass Ängste und depressive Symptome entstehen können. Frei käufliche Produkte wie CBD-Öl werden gerne zur Linderung der Beschwerden empfohlen. Auf einigen Webseiten heißt es sogar, dass die Wirksamkeit beim Fibromyalgie-Syndrom (FMS) bewiesen wäre.

 

Es existieren tatsächlich Untersuchungen, in denen die Wirkung von Phytocannabinoiden auf die Beschwerden des FMS untersucht wurde. Aber in diesen Studien geht es weder um CBD allein noch um frei käufliche Produkte, sondern vielmehr um Medizinalcannabis – das eben auch das berauschend wirkende Tetrahydrocannabinol (THC) enthält. Deshalb sehen wir uns in diesem Artikel zunächst die Studienlage zu medizinischem Cannabis an.

CBD gegen Fibromyalgie

Kurzzusammenfassung von CBD bei Fibromyalgie

Die Fibromyalgie ist eine chronische Erkrankung, bei der tiefe Muskelschmerzen das Hauptsymptom sind. Zusätzlich leiden viele Betroffene unter weiteren Beschwerden, wie zum Beispiel Steifheit in den Gelenken, Magen-Darm-Problemen, Schlaflosigkeit, Ängste und depressiven Symptomen. Die Behandlung setzt sich meist aus verschiedenen Therapien zusammen. Schmerzmittel kommen ebenfalls zum Einsatz, die jedoch Nebenwirkungen verursachen können und den Körper zusätzlich belasten. Deshalb sind viele Patienten auf der Suche nach einer nebenwirkungsarmen Alternative.

 

Medizinalcannabis könnte bei der Krankheit Fibromyalgie eine mögliche Behandlungsoption sein, da THC bei chronischen Schmerzen nützlich sein kann. Dies ist jedoch verschreibungspflichtig. Bei einem frei käuflichen Produkt wie dem CBD-Öl sind nur Spuren von THC enthalten und CBD allein ist Untersuchungen zufolge weitaus weniger wirksam. Mehr dazu können Sie im folgenden Artikel lesen.

Die Die Phytocannabinoide aus der Cannabispflanze wie Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC) sind eine vielversprechende alternative Behandlungsoption bei verschiedenen Krankheiten, vor allem bei chronischen Schmerzsyndromen, wozu auch das Fibromyalgie-Syndrom gehört. Eine wichtige Rolle spielt hier das Endocannabinoid-System (ECS). Als Teil des Nervensystems ist es an der Regulierung verschiedener biologischer Prozesse des Körpers beteiligt, unter anderem an der Schmerzwahrnehmung, den Emotionen, dem Schlaf und Entzündungsprozessen.

 

 

Forscher haben die Hypothese aufgestellt, dass ein Mangel an Endocannabinoiden an der Entstehung der Erkrankung Fibromyalgie beteiligt sein könnte [1]. Endocannabinoide sind Cannabinoide, die der Körper bei Bedarf selbst herstellen kann. Sie binden genau wie die Phytocannabinoide aus Cannabis an die Cannabinoidrezeptoren des Endocannabinoid-Systems. Ein Mangel könnte dementsprechend durch die Gabe von Phytocannabinoiden ausgeglichen werden. Allerdings gibt es noch keine eindeutigen Beweise für diese Hypothese.

 

Darüber hinaus wird angenommen, dass Cannabinoide womöglich in der Lage sind, die erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei chronischen Schmerzen zu reduzieren. Von Bedeutung ist hier vor allem der Cannabinoidrezeptor 1 (CB1), der sich vorwiegend im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) nachweisen lässt. Die Aktivierung dieses Rezeptors – sei es durch Endocannabinoide oder Phytocannabinoide – könnte dazu führen, dass der Schmerzreiz unterdrückt oder Schmerzsignale nicht weitergeleitet werden, wodurch wiederum die Schmerzwahrnehmung verändert wird [2]. Für die Krankheit Fibromyalgie wäre dies also sehr nützlich.

Sowohl Sowohl Tetrahydrocannabinol (THC) als auch Cannabidiol (CBD) wirken auf die beiden Cannabinoidrezeptoren 1 (CB1) und 2 (CB2). Letztgenannter findet sich hauptsächlich in den Zellen des Immunsystems. Während THC Schmerzen, Appetit, Orientierung und Stimmung beeinflussen kann, zeigt CBD eine entzündungshemmende und angstlösende Wirkung.

 

THC ist ein sogenannter partieller Agonist des CB1. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass das Cannabinoid identische Effekte auslöst wie die natürlichen Liganden (Endocannabinoide) dieses Rezeptors. Hingegen ist CBD ein negativer allosterischer Modulator des CB1-Rezeptors. Das bedeutet, dass es die Wirkung der Endocannabinoide verstärken kann.

 

Aufgrund dieser unterschiedlichen Eigenschaften bestimmt das Verhältnis von THC zu CBD in Cannabisprodukten die therapeutischen und auch unerwünschten Wirkungen [3]. Nach der Theorie des Entourage-Effekts, der aus der Cannabis-Forschung stammt, erzeugt die Kombination der Phytocannabinoide und die Terpene einen synergistischen Effekt, der darauf hindeutet, dass die Verwendung von Medizinalcannabis als schmerzlinderndes Mittel von Nutzen sein könnte [4].

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Einige Untersuchungen haben gezeigt, dass die Phytocannabinoide aus der Hanfpflanze sicher und wirksam sein könnten, um verschiedene Symptome des FMS zu lindern. Nabilon, ein synthetisches THC, war dem Placebo (Scheinmedikament) überlegen und zeigte eine gute Schmerzlinderung [5]. Jedoch scheint das Verhältnis von THC zu CBD die Gesamtwirkung zu bestimmen [6, 7].

 

In einer Analyse bewerteten Forscher die Sicherheit und Wirksamkeit von Phytocannabinoiden für die Behandlung von FMS [8]. Hierin heißt es, dass unter der Anwendung Nebenwirkungen auftreten können und dass das Risiko-Nutzen-Verhältnis abzuwägen sei. Ob eine Wirkung eintritt, scheint zudem vom THC-CBD-Verhältnis abzuhängen. Hier seien weitere Forschungen notwendig, um das Dosis-Wirkungs-Verhältnis herauszufinden.

Klinische Studien (am Menschen), in denen die Wirksamkeit von CBD als Einzelsubstanz gegen die Symptome des FMS untersucht wurde, existieren bislang nicht. Denn THC oder THC in Kombination mit CBD scheint das bessere Potenzial zu besitzen, das Schmerzempfinden zu beeinflussen. Die Auswirkungen von CBD allein scheinen nicht ausreichend zu sein.

 

Es gibt eine interessante Studie an Ratten, in der die schmerzlindernde Wirkung auf chronische Muskelschmerzen mit den Phytocannabinoiden CBD, Cannabinol (CBN) und Cannabichromen (CBC) untersucht wurde [9]. Die Kombination von CBD/CBN bewirkte eine länger anhaltende Verringerung der Schmerzen, als jede der beiden Substanzen allein. Eine höhere Dosis von CBD/CBN verringerte jedoch die Dauer dieser Wirkung, sodass angenommen wird, dass eine höhere CBD-Konzentration die Wirkung von CBN hemmen könnte. Das zeigt, wie komplex das Zusammenspiel der Phytocannabinoide ist.

 

Auch wenn es noch keine speziellen Untersuchungen zu CBD und Fibromyalgie gibt, sind sich die Wissenschaftler jedoch einig, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind, um den therapeutischen Wert von CBD für Fibromyalgie-Symptome zu bewerten [10]

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Hinweis

In den oben ausgeführten Informationen berichten wir ausschließlich über verschreibungspflichtiges Medizinalcannabis mit all seinen Phytocannabinoiden oder verschreibungspflichtiges Cannabidiol (CBD). Die Studienergebnisse sind nicht auf frei käufliche CBD-Produkte wie CBD-Öle, CBD-Kapseln etc. übertragbar. Zudem machen wir zur möglichen Zweckbestimmung keinerlei Vorschläge und geben auch keine Anwendungsempfehlungen oder Nutzversprechen.

Grundsätzlich ist nicht auszuschließen, dass ein frei käufliches CBD-Öl für FMS-Patienten einen Nutzen haben kann. Viele Menschen berichten darüber, dass der Hanfextrakt Ängste und Stress zu lindern kann, was für Betroffene, die unter Fibromyalgie leiden, ggf. eine Unterstützung sein könnte.

 

 

Natürlich gibt es auch Untersuchungen, hauptsächlich Labor- und Tierstudien, in denen die Wirkung von CBD gegen chronische Schmerzen (ohne den Fibromyalgie-Aspekt) untersucht wurde. Hier gibt es widersprüchliche Ergebnisse, wobei CBD ein gewisses Potenzial zu haben scheint, die Schmerzwahrnehmung zu verändern. Aber selbst wenn dem so ist, bedeutet das nicht, dass die Studienergebnisse auf frei käufliche Produkte übertragbar sind. Dabei sind die wichtigsten Unterschiede:

In Untersuchungen verwenden Wissenschaftler in der Regel synthetisches CBD oder aber einen CBD-Extrakt aus pharmazeutischem Cannabis.

 

Das CBD für Öle und Kapseln wird hingegen aus Nutzhanfpflanzen gewonnen, die einen wesentlich geringeren CBD-Gehalt aufweisen und bei denen der THC-Gehalt in Deutschland unter 0,2 Prozent liegt.

 

CBD-Öle variieren in ihrer Zusammensetzung und Qualität je nach Ausgangsmaterial und Herstellungsmethode. Es handelt sich nicht um standardisiertes Produkt.

 

Kommt CBD in Untersuchungen zum Einsatz, erfolgt dies in sehr hohen Dosen. Diese sind mit CBD-Produkten nicht erreichbar.

Dennoch kann ein CBD-Öl – sofern es die entsprechende Qualität aufweist – positive Effekte verursachen. Wir wissen aus Erfahrungen von einigen Fibromyalgie-Patienten, dass sie von CBD-Öl & Co profitieren können. Zu beachten ist aber, dass zwischen CBD und Medikamenten, darunter auch Schmerzmitteln, Wechselwirkungen entstehen können. Wenn also regelmäßig Medikamente eingenommen werden, sollte vor der Einnahme von CBD mit dem Arzt darüber gesprochen werden.

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Alexandra Latour, Autorin, Medizinredakteurin
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Aufgrund der über zehnjährigen freiberuflichen Autorinnentätigkeit für renommierte Gesundheitsportale und Online-Magazine übernahm Alexandra Latour Anfang 2017 die stellvertr. Redaktionsleitung von Leafly Deutschland. Auch nach der Schließung der deutschen Niederlassung von Leafly war sie weiterhin als Medizinredakteurin und Beraterin in der Cannabis- und CBD-Branche tätig und konnte sich hier eine umfangreiche Expertise aneignen.

[1] Russo EB. Clinical Endocannabinoid Deficiency Reconsidered: Current Research Supports the Theory in Migraine, Fibromyalgia, Irritable Bowel, and Other Treatment-Resistant Syndromes. Cannabis Cannabinoid Res. 2016 Jul 1;1(1):154-165. doi: 10.1089/can.2016.0009. PMID: 28861491; PMCID: PMC5576607

 

[2] Walitt B, Klose P, Fitzcharles MA, Phillips T, Häuser W. Cannabinoids for fibromyalgia. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Jul 18;7(7):CD011694. doi: 10.1002/14651858.CD011694.pub2. PMID: 27428009; PMCID: PMC645796

 

[3] Anthony AT, Rahmat S, Sangle P, Sandhu O, Khan S. Cannabinoid Receptors and Their Relationship With Chronic Pain: A Narrative Review. Cureus. 2020 Sep 14;12(9):e10436. doi: 10.7759/cureus.10436. PMID: 33072446; PMCID: PMC7557112

 

[4] Cameron EC, Hemingway SL. Cannabinoids for fibromyalgia pain: a critical review of recent studies (2015-2019). J Cannabis Res. 2020 May 29;2(1):19. doi: 10.1186/s42238-020-00024-2. PMID: 33526114; PMCID: PMC7819299

 

[5] Russo EB. Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects. Br J Pharmacol. 2011 Aug;163(7):1344-64. doi: 10.1111/j.1476-5381.2011.01238.x. PMID: 21749363; PMCID: PMC3165946

 

[6] Maffei ME. Fibromyalgia: Recent Advances in Diagnosis, Classification, Pharmacotherapy and Alternative Remedies. Int J Mol Sci. 2020 Oct 23;21(21):7877. doi: 10.3390/ijms21217877. PMID: 33114203; PMCID: PMC7660651

 

[7] Tzadok R, Ablin JN. Current and Emerging Pharmacotherapy for Fibromyalgia. Pain Res Manag. 2020 Feb 11;2020:6541798. doi: 10.1155/2020/6541798. PMID: 32104521; PMCID: PMC7036118

 

[8] Khurshid H, Qureshi IA, Jahan N, Went TR, Sultan W, Sapkota A, Alfonso M. A Systematic Review of Fibromyalgia and Recent Advancements in Treatment: Is Medicinal Cannabis a New Hope? Cureus. 2021 Aug 20;13(8):e17332. doi: 10.7759/cureus.17332. PMID: 34567876; PMCID: PMC8451533

 

[9] Wong H, Cairns BE. Cannabidiol, cannabinol and their combinations act as peripheral analgesics in a rat model of myofascial pain. Arch Oral Biol. 2019 Aug;104:33-39. doi: 10.1016/j.archoralbio.2019.05.028. Epub 2019 May 28. PMID: 31158702

 

[10] Boehnke KF, Gagnier JJ, Matallana L, Williams DA. Cannabidiol Use for Fibromyalgia: Prevalence of Use and Perceptions of Effectiveness in a Large Online Survey. J Pain. 2021 May;22(5):556-566. doi: 10.1016/j.jpain.2020.12.001. Epub 2021 Jan 2. PMID: 33400996

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