Kann CBD bei ADHS/ADS eine Hilfe sein?
Erstellt am: 22.03.2023 Aktualisiert am: 23.03.2023 Autor: Alexandra Latour
Weltweit sind ungefähr fünf Prozent der Kinder und Jugendliche von einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) betroffen. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen bleibt die Störung im Erwachsenenalter bestehen. Je nach Ausprägung und schwere der Symptome, kann der Alltag mit vielen Problemen verbunden sein. Erwachsene suchen dann häufig nach einer Hilfe aus der Natur und stoßen auf Cannabidiol (CBD), ein Cannabinoid aus der Hanfpflanze. Wir beleuchten im folgenden Artikel die aktuell Studienlage und gehen dann darauf ein, ob frei käufliche CBD-Produkte wie CBD-Öl eine Hilfe sein können.
Heinrich Hoffmann, ein Frankfurter Arzt und Psychiater, verfasste im Jahr 1844 das Kinderbuch „Der Struwwelpeter“, in dem es um den kleinen Jungen Philipp ging, der einfach nicht am Tisch stillsitzen konnte und ständig mit seinem Stuhl wackelte. Hoffmann schuf den „Zappelphilipp“ und fachte damit eine Diskussion darüber an, ob die Hyperaktivität eine „Unart“ oder eine psychische Störung ist.
Heute wird zwischen ADHS und ADS unterschieden. Zu den typischen Symptomen der ADHS gehören Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit. Bei der ADS leiden die Betroffenen ebenfalls unter einer Störung der Impulskontrolle und Unaufmerksamkeit, jedoch nicht unter einer Hyperaktivität. Weitere Symptome, die bei beiden Störungen auftreten können, sind unter anderem Verhaltensauffälligkeiten, verminderte Konzentrationsfähigkeit, Vergesslichkeit, gestörte Selbstregulation sowie ein schlechtes Zeitmanagement.
Da sich altersgemäßen Verhaltensweise bei Kindern und Jugendlichen häufig nicht von der ADHS und ADS einfach abgrenzen lassen, sollte die Diagnose nur von einem Arzt oder Psychologen gestellt werden, der über Fachkenntnisse verfügt.
Welche Rolle spielt das Endocannabinoid-System (ECS)?
Experten gehen davon aus, dass bei Menschen mit ADHS das Gleichgewicht der Neurotransmitter (Botenstoffe) im Gehirn verändert sein könnte [1]. Eine entscheidende Rolle sollen hier vor allem die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin spielen, die nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Infolge dessen wird die Informationsweiterleitung zwischen den Nervenzellen gestört.
Studien haben gezeigt, dass Dopamin, Serotonin („Glückshormon“) und Endocannabinoide (Cannabinoide, die der Körper selbst bilden kann) wichtige Neuromodulatoren sind, die an vielen Aspekten des motivierten Verhaltens beteiligt sind, darunter Belohnungsverarbeitung, Verstärkungslernen und Verhaltensflexibilität [2].
Das ESC ist in der Lage, die dopaminerge und serotonerge Neurotransmission zu beeinflussen. Allerdings sind die genauen Mechanismen noch nicht geklärt. Forscher vermuten, dass nicht nur die Endocannabinoide einen Einfluss auf das Dopamin-System haben. Auch den Cannabinoiden aus der Cannabis-Pflanze werden diese Eigenschaft zugeschrieben.
Cannabis bei ADHS und ADS
Die Behandlung von ADHS und ADS setzt sich in der Regel aus unterschiedlichen Säulen zusammen. Welche Therapie sinnvoll ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren, wie zum Beispiel der Schwere der Krankheit, der individuellen Symptome, aber auch davon, inwieweit sich Patienten überhaupt auf eine Behandlung einlassen.
Wenn die Erkrankung besonders schwer ausgeprägt ist, bekommen viele Patienten häufig das Medikament Methylphenidat (Ritalin) verordnet. Dieser Wirkstoff soll den Dopamin-Mangel ausgleichen, indem er die Dopaminkonzentration im Gehirn erhöht. Da die Wirkung nach der Einnahme schnell einsetzt, leiden Betroffene weniger unter der Konzentrationsschwäche und können Probleme im alltäglichen Leben besser meistern. Auch ihr Verhalten können sie besser steuern. Das hat jedoch ein Problem zur Folge, denn die Einnahme von Ritalin ist mit Nebenwirkungen verbunden.
Es ist bekannt, dass ein Teil der Betroffenen Cannabis konsumiert. Einige Mediziner verordnen sogar Cannabis als Medizin bei einer Aufmerksamkeitsstörung. Erfahrungen zufolge können Patienten mit ADHS durchaus davon profitieren. So berichten sie über weniger Nebenwirkungen, als wenn sie Medikamente einnehmen und dass die Symptome gelindert werden.
Studien zu CBD bei ADHS
Auch wenn aus den Erfahrungen eine Reihe von Vorteilen beim Konsum von Cannabis herauszuhören sind, gilt es als keinesfalls gesichert, dass die Cannabinoide aus der Hanfpflanze tatsächlich eine Wirkung bei der ADHS zeigen. Bislang gibt es hierzu nur wenige Studien.
In einer Studie erhielten ADHS-Patienten das Fertigarzneimittel Sativex, das Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) zu gleichen Teilen enthält [3]. Die Forscher berichteten im Ergebnis, dass bei den Erwachsenen nach der Gabe des Medikamentes zu beobachten war, dass sich die Hyperaktivität sowie die impulsiven Verhaltensweisen besserten. Schwere Nebenwirkungen traten nach der Einnahme nicht auf.
Studien, in denen die Wirkung von CBD allein, also ohne weitere Cannabinoide wie THC, untersucht wurde, existieren bislang nicht.
ADHS: CBD gegen Ängste und innere Unruhe
Oftmals berichten Betroffene von Phasen in ihrem Leben, in denen sie Ängste und eine innere Unruhe verspüren. Hier könnte CBD eine Hilfe darstellen, und zwar durch die Beeinflussung des Endocannabinoid-Systems. Denn dieses an der Regulierung verschiedener Prozesse im Körper beteiligt, unter anderem auch an dem Prozess, der für die Verarbeitung unserer Emotionen beteiligt ist. Studien zufolge besitzt CBD das Potenzial, eine angstlösende und beruhigende Wirkung entfalten zu können [4].
CBD-Produkte bei ADHS
Bevor wir auf frei käufliche Produkte eingehen, die das Cannabinoid CBD enthalten, wie zum Beispiel CBD-Öl, möchten wir darauf hinweisen, dass die Behandlung von ADHS grundsätzlich in die Hände von Fachärzten gehört. Ebenso weisen wir darauf hin, dass CBD nicht für Kinder und Jugendliche geeignet ist. Deren Gesundheit sollte in keinem Fall riskiert werden. Auch bei Kindern und Jugendlichen gilt: Nicht ohne Absprache mit dem Facharzt.
Des Weiteren gilt: Zwischen Ritalin und CBD kann es zu unerwünschten Wirkungen kommen. Betroffene Menschen sollten kein Risiko eingehen und ihre Gesundheit nicht gefährden! Weitere Infos zu den Wechselwirkungen finden Sie in diesem Artikel.
Ob CBD-Öl bei ADHS hilfreich ist, kann weder eindeutig bejaht noch verneint werden. Von einigen Menschen mit ADHS wissen wir, dass ihnen CBD-Öl oder ein anderes CBD-Produkt hilft. Wiederum andere berichten, dass CBD-Öl keine ausreichende Wirksamkeit zeigt. Auch kann keine Aussage zu einer möglichen Dosierung von CBD bei ADHS getätigt werden.
FAQs
Kann CBD bei ADHS helfen?
Kann CBD bei ADHS helfen? Es existieren keine Studien darüber, ob CBD allein bei ADHS nützlich sein kann. Hingegen scheint Medizinalcannabis eine therapeutische Option für Betroffene zu sein. Zu beachten ist, dass sich Medikamente wie Ritalin und CBD nicht vertragen, bzw. Wechselwirkungen auftreten können. Auch für Kinder ist die Einnahme von CBD ohne Rücksprache mit einem Arzt nicht zu empfehlen.
Welches CBD bei ADHS?
Ob Cannabidiol (Abkürzung: CBD) tatsächlich eine Hilfe für Menschen mit ADHS ist, kann nicht gesagt werden. Auch in Bezug auf die Dosierung kann keine Aussage getätigt werden. Außerdem sollten CBD-Produkte nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. Beim Kauf von CBD-Öl oder anderen CBD-Produkten sollte auf die Qualität geachtet werden, da diese enorm schwanken kann. Für ein Kind ist ein CBD-Produkt nicht geeignet.
Aufgrund der über zehnjährigen freiberuflichen Autorinnentätigkeit für renommierte Gesundheitsportale und Online-Magazine übernahm Alexandra Latour Anfang 2017 die stellvertr. Redaktionsleitung von Leafly Deutschland. Auch nach der Schließung der deutschen Niederlassung von Leafly war sie weiterhin als Medizinredakteurin und Beraterin in der Cannabis- und CBD-Branche tätig und konnte sich hier eine umfangreiche Expertise aneignen.
Quellenverzeichnis
[1] Ratgeber ADHS – Das Infoportal für Erwachsene mit ADHS, ADHS: Was passiert im Körper?
[2] Peters KZ, Cheer JF, Tonini R. Modulating the Neuromodulators: Dopamine, Serotonin, and the Endocannabinoid System. Trends Neurosci. 2021 Jun;44(6):464-477. doi: 10.1016/j.tins.2021.02.001. Epub 2021 Mar 3. PMID: 33674134; PMCID: PMC8159866
[3] Cooper RE, Williams E, Seegobin S, Tye C, Kuntsi J, Asherson P. Cannabinoids in attention-deficit/hyperactivity disorder: A randomised-controlled trial. Eur Neuropsychopharmacol. 2017 Aug;27(8):795-808. doi: 10.1016/j.euroneuro.2017.05.005. Epub 2017 May 30. PMID: 28576350
[4] Stanciu CN, Brunette MF, Teja N, Budney AJ. Evidence for Use of Cannabinoids in Mood Disorders, Anxiety Disorders, and PTSD: A Systematic Review. Psychiatr Serv. 2021 Apr 1;72(4):429-436. doi: 10.1176/appi.ps.202000189. Epub 2021 Feb 3. PMID: 33530732; PMCID: PMC8857699